Diesmal möchte ich dir gerne einen Eindruck vermitteln, wie sich das Fahren in einem Oldtimer anfühlt. Vielleicht kannst du danach verstehen, warum dies auf viele Menschen eine Faszination ausübt.
Definieren wir zunächst einmal 'Oldtimer' bzw. 'Historisches Fahrzeug'. Ganz allgemein ist es ein erhaltungswürdiges, nicht zur ständigen Verwendung bestimmtes Fahrzeug,
Hier im speziellen Fall berichte ich dir über meine ErFAHRungen mit einem 'Daimler V8 2.5 litre' aus dem Jahr 1964. Die Konzeption des Autos stammt aus den rockigen 1950er Jahren. Das Fahrzeug ist in einem ordentlichen Zustand - technisch in Ordnung, kaum rostig (!), optisch außen recht gut, Innenraum mit ordentlich Patina. Alles in allem ein Oldie zum Reinsetzen und fahren - kein Museums- oder Concours-Teil.
Der Daimler V8 ist im Grunde ein Jaguar Mk II mit einem 2,5 Liter V8-Zylinder Motor, den Jaguar durch den Kauf der Daimler Motor Company im Jahr 1960 bekam. Die Produktion dieses Klassikers erfolgte von 1962 bis 1969. Er war der erste Daimler unter der Führung von Jaguar - die Top-Ausführungen vieler Modelle heißen seit damals 'Daimler' und überzeugen mit besonders luxuriöser Ausstattung.
Der Jaguar Mk II galt in den 60er Jahren als eine der sportlichsten Limousinen am Markt - in der Top-Motorisierung mit 3,8-Liter Sechszylinder Motor und 220 PS. Damit erreichte er bis zu 200 Km/h und beschleunigte in 8,5 Sek. von 0-100 Km/h. Das war gleich flott, wie beispielsweise die Sportwagen Aston Martin DB4 oder Ferrari 250 GT - damalige Limousinen kamen da nicht einmal in die Nähe.
Der Daimler mit dem V8-Murl ließ es gemütlicher angehen. Die 140 PS erzeugen die Gänsehaut durch den 8-Zylinder-Sound und nicht durch brachiale Kraft. Die BorgWarner 3-Gang-Automatik schluckt einige der zart wiehernden Pferde gleich im Ansatz.
Vier Türen bieten komfortablen Zugang zu allen Plätzen und der Kofferraum ist halt ein Kofferraum einer kompakten Limousine. Das Auto ist 459 cm lang, 170 cm breit, 147 cm hoch und hat ein Leergewicht von ca. 1.500 Kg - nur damit du es von den Abmessungen her gut einordnen kannst.
Abgesehen von der unbändigen Vorfreude auf das kommende Erlebnis, mag ein Oldie etwas persönliche Zuwendung. Du prüfst, ob genug Öl und genug Kühlwasser drinnen ist.
Dann noch ein Blick auf die Reifen - eh kein Patschen? Und eine kritische Würdigung des Garagenbodens, ob sich das gute Stück einer seiner Flüssigkeiten entledigt hat - du hast sicher schon von Inkontinenz im hohen Alter gehört.
Böse Zungen behaupten: wenn ein Jaguar kein Öl verliert, ist keines mehr drinnen! So ein Blödsinn...
Ach ja... Schlüssel. KeylessGo ist zwar englisch, hieß aber damals in London, dass du ohne Schlüssel das Haus verlassen hast. Fernbedienung gab es damals für Fernseher - aber nur mit Kabel. Ein Schlüssel... nicht für das Auto sondern für jedes Schloss des Autos. Je einen für die Türen, den Kofferraum, den Tankverschluss und für das Zündschloss. Spannend!
Schon alleine das Öffnen der Türe... Dein Hand umschließt fest den verchromten Türgriff, du drückst mit dem Daumen fest den Entriegelungsknopf, der Widerstand löst sich, du öffnest die Fahrertüre und erblickst das Cockpit. Holz, Leder, Bakelit Lenkrad mit dünnem Kranz und verchromten Hup-Ring, Rundinstrumente, Schalter, Kontrollleuchten,... ein Kunstwerk aus edlen Materialen und von ästhetischer Schönheit.
Alleine dieser Anblick lässt dich frohlocken und dir Tränen der Freude in die Augen steigen. Dass diese, ob der enden wollenden Künste von Fürst Lucas(*), dem Erfinder der Finsternis und dessen kühne Elektrik-Kapriolen in Tränen der Wut und Verzweiflung umschlagen, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.
Aber lassen wir uns die Hochstimmung hier nicht von vermeintlichen Nebensächlichkeiten in den Abgrund reißen.
Es wird ernst...
Du findest den zum Zündschloss passenden Schlüssel, steckst ihn in die dafür vorgesehene Öffnung, die prominent in der Mitte des Armaturenbretts (ja, wirklich noch ein Brett) thront. Mit gebotener Vorsicht, weil leicht hakelig, drehst du den Schlüssel im Uhrzeigersinn bis zum Anschlag. Ein leises 'taktaktaktaktak..tak..tak.....tak.......tak' aus dem Kofferraum - die Benzinpumpe. Druck ist reichlich aufgebaut, die Schwimmerkammern der beiden SU-Vergaser sind gefüllt. CHOKE ziehen nicht vergessen, damit das Benzin-/Luftgemisch beim Kaltstart angereichert wird. Der Automatikwählhebel zeigt 'P', du stehst auf der Bremse und dann, endlich...
Deine Hand erhebt sich zum Startknopf, der sich, ebenfalls mittig gleich neben dem 'Cigar lighter' aus dem Armaturenbrett herausrekelt. Du wählst einen Finger, oftmals den Zeigefinger, um ihn sanft auf den Druckschalter zu legen und diesen mit gebührendem Druck zu betätigen.
Der Starter verrichtet seine Arbeit, dreht die Kurbelwelle ein paar Umdrehungen, der Motor springt an. Meistens jedenfalls.
Du wartest einige Augenblicke bis sich der Öldruck aufgebaut hat, das Wasser sich im Kühlkreislauf in Bewegung gesetzt hat und nebenbei das sanfte Blubbern des V8-Zylindermotors von der Ohrmuschel direkt ins Herz strömt. Ein sanftes, zärtliches Streichen der Finger über das Lenkrad, ein wohlig prüfender Blick auf das Rundinstrumentarium und ein leichtes Justieren des Chokes, um den Leerlauf zu stabilisieren.
Es wird ernst. Der rechte Fuß drückt das Bremspedal nieder und du bewegst den Automatikwählhebel von 'P' auf 'D' - ein leichter Ruck geht durch den Daimler. Du legst beide Hände bedächtig auf den dünnen, schwarzen Lenkradkranz und hebst den rechten Fuß vom Bremspedal. Das Auto rollt los.
Ist die Fuhre in Bewegung - der Motor hat seine Betriebstemperatur noch nicht erreicht - gibst du anfangs bedächtig Gas, damit sich das Aggregat im Motorraum nicht verschluckt. Das Benzin-/Luftgemisch wird anfangs noch etwas zögerlich angenommen. Obacht beim Abbiegen auf eine verkehrsreiche Straße in den Fließverkehr.
Die ersten Meter hast du bravourös gemeistert. Der Motor ist nach einigen Minuten auf Betriebstemperatur und der Motor braucht die Unterstützung des Chokes nicht mehr.
Du fährst auf einer der typischen kleinen Landstraßen durch das malerische Weinviertel. Kurve - Hügerl rauf - Kurve - Hügerl runter - lange Gerade - lang gezogene Kurve - Hügerl - Kurve - usw. usw. Keine Servolenkung - beim Fahren geht sie dir nicht ab. Während des Fahrens sind laufend Lenkkorrekturen nötig - das ist der damaligen Lenkungs-Technologie geschuldet. Du kennst sicher Filme, wie 'Jerry Cotton - Der Tod im roten Jaguar' bei dem Jerry in seinem E-Type sitzt und sogar auf gerader Strecke ununterbrochen mit dem Lenkrad sägt. Konzentration bitte!!!
Und immer die wichtigsten Instrumente im Blick behalten. Tacho und Drehzahlmesser sind gut ablesbar und direkt im Blickfeld. In der Mitte des Armaturenbretts sind Wassertemperatur, Öldruck und Amperemeter mit geschärftem Auge zu beobachten. Bei Oldtimern, in denen noch Originalteile ihren Dienst verrichten ist die Möglichkeit eines Gebrechens viel leichter möglich als in einem modernen Auto.
Vorausschauend fahren ist immer richtig. Bei einer Bremskonstruktion aus den wilden 50er Jahren sogar lebenswichtig. Bist du gewohnt, bei deinem Neuzeit-Vehicle das Bremspedal nur leicht mit der kleinen Zehe anzutippen, um zu verzögern, wirst du dich im Oldtimer dramatisch umstellen müssen. Um aus höheren Geschwindigkeiten zu stoppen empfiehlt sich ein herzhafter, gut dosierter Tritt auf das Bremspedal. Aber Achtung: kein ABS und tendenziell schmale Reifen gebieten Ehrfurcht. Und das, obwohl dieser Daimler V8 bereits damals serienmäßig über vier Scheibenbremsen verfügte - Anfang der 60er-Jahre eine Sensation bei Serien-Limousinen. Trotzdem gibt es - wie damals so üblich - nur ein Einkreis- statt eines Zweikreis-Bremssystems. Fällt dieser eine und einzige Bremskreis durch einen Defekt aus... oje!
Nun, das aktive Selberfahren mit allen Sinnen und hoher Konzentration übt eine magische Faszination aus. Starten - fahren - beschleunigen - lenken - bremsen. Immer im Bewusstsein, ein Fahrzeug zu bewegen, das mehr als ein halbes Jahrhundert alt ist. Und das Abenteuer, nicht zu wissen, ob du am Ende des Tages ohne Panne wieder zu Hause ankommst - ja, so ist das.
Fährst du mit einem Oldtimer durch die Lande, werden dir in den meisten Fällen die Leute mit großem Wohlwollen begegnen. Lachende Kinder, frohlockende Mütter und applaudierende Väter am Straßenrand lassen dein Herz aufgehen. Mit einem klassischen Auto au der Straße weckst du bei deinen Mitmenschen oft Erinnerungen an schöne, gute, bessere Zeiten.
2017 gab der ÖMVV (Österreichischer Motor-Veteranen-Verband) die Studie 'Oldtimer in Österreich' in Auftrag. Eines der Ergebnisse war, dass knapp 60 % der Österreicher Freude daran haben, einen Oldtimer auf der Straße zu sehen.
Wenn du nach einer Ausfahrt mit deinem Oldie ohne Defekt heim kommst, freust du dich wie ein kleines Kind über ein Kinderschokolade-Ei und bedankst dich bei deiner mobilen Pretiose. Zündung aus - Motor aus - Knistern und Knacken aus dem Motorraum, wenn die Metalle, Flüssigkeiten und Gummis beginnen, sich abzukühlen. Zufrieden kuschelt sich der Daimler in sein Garagen-Eckerl. Du schiebst ihm die Inkontinenz-Tasse unter seinen Motor und das Getriebe - nur zur Sicherheit! Noch das eine und/oder andere aufmunternde Wort zu ihm und die Aussicht, bald wieder Auslauf zu bekommen. Du drehst dich um. Und im Augenwinkel erkennst du, dass er dir zuzwinkert. Ja, wirklich!
Garage abschließen und voll Freude und Stolz genießt du den Rest des Tages und denkst an die vielen schönen, gemeinsamen Kilometer des heutigen Tages zurück.
Wie es mit dem Kauf und der Erhaltung eines Oldtimers aussieht, wo du Hilfe bekommen kannst und welche Aktivitäten du mit deinem alten Blech noch so unternehmen kannst werde ich dir in weiteren Artikeln erzählen. Hast du jetzt schon Fragen, dann schreibe sie mir unten als Kommentar.
(*) Lucas Industries - britischer Hersteller von Automobilzubehör und Zulieferer britischer Automobilhersteller. Oftmals belächelt, wegen angeblicher Unzuverlässigkeit elektrischer Bauteile
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